GZ Ludesch
|
Am selben Ort wie das jetzige Gemeindehaus, das auf Grund seiner Baustruktur nicht mehr adaptierbar ist, wird ein neues Gemeindezentrum errichtet.
Grundgedanke des neuen Hauses ist die Schaffung einer echten Mitte für Ludesch. Die sehr heterogen strukturierte Gemeinde hat nirgends einen verdichteten alten Kern oder einen gewachsenen Dorfplatz, Kirche, Saal Schule und Gemeindeamt bilden keinen Dorfraum, sondern stehen in loser Beziehung zueinander. So bildet der Neubau durch seine Geometrie eine räumlich dreiseitig geschlossene Klammer um den neuen Dorfplatz.
Dieser wird belebt durch die angelagerten Funktionen wie Geschäfte, Post, Cafe, Gemeindeamt, kleiner Saal, Vereinsräumlichkeiten, Spielgruppe, Wohnungen und Büros. Es entsteht also ein multifunktionelles Haus im Dienst der Gemeinde, ein dörfliches Zentrum mit einem vielfältig nutzbaren Platz, zumal dieser mit transluzenten Photovoltaikelementen überdeckt wird. Der Dorfplatz soll somit zur kommunikativen Mitte des Dorfes werden, zum Treffpunkt, sowie zum Ort vielfältigen Geschehens.
Unsere Dorfstrukturen leiden unter der verstärkten Individualisierung ihrer Bewohner. Umso wichtiger sind solche Aktivitäten, die den Bürgern die Möglichkeit bieten, zwanglos am Dorfgeschehen teilzunehmen. Auch das trägt stark bei zur Forcierung der „kleinen Kreisläufe“, womit sich die e5 Gemeinde Ludesch seit langem auseinandersetzt.
Somit ist es auch naheliegend im Sinne ganzheitlichen Denkens, dass an diesem Ort ein mustergültiges Projekt als Lehrbeispiel für engagiertes ökologisches Bauen umgesetzt wird.
Interviews mit R. Wehinger, G. Bertsch, a. Zech
Herr Wehinger, die
Vorgeschichte des neuen Gemeindezentrums in Ludesch ist eigentlich ein
ziemlich lange. Im Jahre 1995 wurde eine Studie von der Universität
Innsbruck verfasst, wie hat sich daraus dieses konkrete Projekt
ergeben? In dieser Studie kam
heraus, dass es vor allem an Kommunikationseinrichtungen fehlt, dass kein
richtiger Dorfplatz vorhanden ist, nachdem Kirche, Blumenegg-Halle, altes
Gemeindeamt und Sozialzentrum direkt an der Straße liegen und bisher ein
entsprechende Dorfleben kaum möglich war. Mit der Entscheidung für ein
neues Gemeindezentrum bildete sich 1997 eine entsprechende Arbeitsgruppe,
die im Rahmen einer Bevölkerungsbefragung mit den Erhebungen für ein Raum-
und Funktionsprogramm begonnen hat. Im Jahre 2000 wurde unser Büro, das
Architekturbüro Hermann Kaufmann, aufgefordert an dieser Entwicklungsstudie
mitzuarbeiten, und im Rahmen dieser Studie wurden die damals geäußerten
Bedürfnisse in einem erstem Rohkonzept verarbeitet. Mit welchen Wünschen sind die
Interessensgruppen damals an das Projekt heran gegangen? Es ist doch
anzunehmen, dass es eine Fülle von Vorstellungen gegeben hat, was alles in
diesem Konzept untergebracht werden sollte. Im alten Gemeindeamt
waren die Arbeitsverhältnisse für die Bediensteten sehr beengt, die Vereine
waren auf verschiedene Räumlichkeiten, wie Feuerwehr, Blumenegg-Halle usw.,
aufgeteilt und hatten nirgends ein richtiges Zuhause. So war es ein klarer
Wunsch, dass neben den Räumlichkeiten für die Verwaltung sämtliche
Vereinsräumlichkeiten hier untergebracht werden sollten und auch das Cafe,
das es im alten Gemeindeamt gab, hier wieder eröffnet werden müsse. Auch
die öffentliche Bücherei wird von der Schule ins Gemeindezentrum
umgesiedelt werden und das künftige Flächenangebot soll auch von
verschiedenen Dienstleistungsunternehmen, konkret im Gespräch sind zum
Beispiel Räumlichkeiten für Physiotherapie, genutzt werden. Welche Funktion hat das neue
Gemeindezentrum für Sie als Projektleiter im Kontext des traditionellen
Ortsgefüges? Mit dem entstehenden Platz soll ja versucht werden, ein neues
öffentliches Zentrum zu etablieren. Unser Ziel war, die
Vielfalt an erforderlichen Funktionen in einer dem Dorfcharakter
entsprechenden Maßstäblichkeit auszuführen, weshalb das Konzept eine
Dreigliedrigkeit des Bauvolumens vorsieht mit dem überdeckten Dorfplatz als
kommunikativer Mitte und den infrastrukturellen Einrichtungen rundherum,
wodurch das ganze Dorf einen höheren Stellenwert erhalten soll. War die gewählte Holzbauweise
für ein öffentliches Gebäude ein Thema? Gab es Pläne, auch andere
Materialien oder eine andere Bauweise für diese Aufgabe zu
wählen? Die Gemeinde ging
ursprünglich von einer Mischbauweise aus, es war jedoch von Anfang an ein
deklarierter Wunsch, Holz als Baustoff einzusetzen. Allerdings gab es
zunächst hinsichtlich der verfügbaren technischen Möglichkeiten in Bezug
auf die Nutzungsanforderungen Bedenken. Unser besonderes Anliegen war es,
das gesamte Gebäude als reinen Holzbau auszuführen, nachdem wir große
Erfahrung im Holzbau haben und ebenso großen Wert auf heimische
Wertschöpfung legen. In diversen Gesprächen mit den jeweiligen Fachplanern
wurde uns bestätigt, dass es möglich sein müsse, einen reinen Holzbau zu
errichten. Für uns als Planer war es wichtig, das Holz ökologisch zu
verwenden, das heißt, gänzlich unbehandelt zu lassen. Das führte zu
Fassaden in sägerauer Ausführung mit einem konstruktiven Holzschutz, der
aus metertief ausladenden Vordächern besteht, und auch die Lamellenstruktur
zum überdeckten Platz hin weist nur unbehandelte Oberflächen
auf. Energetisch gesehen handelt es
sich beim neuen Gemeindezentrum um ein Passivhaus. War das von vorneherein
klar, oder haben diese Anforderungen noch besonderer Tüfteleien
bedurft? Es war klar, dass es
möglich sein müsste, ein Passivhaus in dieser Größenordnung zu errichten,
es bedurfte jedoch besonderer Anstrengungen auf der technischen Seite, um
die Lufttemperatur gegenüber der Außentemperatur um die erforderlichen 6
Grad abzusenken. Gestalterisch fällt auf, dass
an markanten Stellen das Holz Weißtanne verwendet wird. Welche Ziele und
praktischen Erfahrungen stecken da dahinter? Nachdem die Gemeinde
Ludesch einen sehr hohen Baumbestand in Weißtanne hat, war es unser
Anliegen, sowohl im Fassaden- als auch im Innenbereich Holz aus heimischer
Wertschöpfung zu verwenden. Das Belassen der Wände im 1. Stock in sägerauer
Ausführung ist sicher ein mutiger, weil ungewohnter Schritt. Ich glaube
jedoch nicht, dass es ein wirkliches Problem ist, wohl aber seitens der
Bevölkerung einen Lernschritt voraussetzt im Umgang mit unbehandeltem Holz.
Unsere Intention war es unter anderem, im Innenbereich nicht Materialien zu
vermischen, und was das Nutzerverhalten betrifft werden wohl auch manche
Sehgewohnheiten und Perfektionsansprüche im Umgang mit Naturbaustoffen mit
der Zeit verändert werden. Herr Bertsch, Sie sind Experte
für bauökologisches Controlling hier im Gemeindezentrum Ludesch. Können Sie
uns die Besonderheiten des zur Anwendung gebrachten Be- und
Entlüftungssystems und des Heiz- und Kühlsystems erklären? Worin liegen die
Vorteile? Jedes Passivhaus hat
ein Belüftungssystem mit Wärmerückgewinnung. Im Sommer werden die
Kühllasten über einen Wasserbrunnen, dessen Wassertemperatur bei 7 Grad
liegt, abgeführt, was ermöglicht, dass die gekühlte Luft mit etwa 23 Grad
in die Räume eingeblasen wird. Im Winter wird derselbe Brunnen für die
Vorwärmung der Luft verwendet, die Wärmerückgewinnung bringt die
Lufttemperatur dann bereits auf 18 bis 20 Grad und die restliche
Wärmeenergie wird über das gemeindeeigene Nahwärmenetz in Form einer
Hackschnitzelanlage zugeführt. Mir ist in dieser Größenordnung kein
derartiges Gebäude im deutschsprachigen Raum bekannt, denn die meisten
ähnlich konzipierten Anlagen werden über Wärmepumpen betrieben. Ein wesentlicher Punkt in
einem ökologisch konzipierten Gebäude betrifft den Umgang mit Schadstoffen.
Können Sie uns sagen, wie man den unvermeidlichen Schadstoffanfall zu
minimieren versucht hat? Das Gebäude wird nach
dem Öko-Leitfaden „Bau“ des Umweltverbandes Vorarlberg errichtet. Es sind
hier extrem strenge Kriterien formuliert. Sämtliche zur Anwendung
gelangenden Materialien werden nach ihrem Schadstoffgehalt getestet, z. B.
hinsichtlich des Vorhandenseins von PU-Schaum oder schädlicher
Leimverbindungen. Das heißt, die Handwerker werden sehr genau dahingehend
überprüft, ob sie tatsächlich die schadstofffreien Materialien, die man
bestellt hat, auf die Baustelle bringen. Bisher wurden Gebäude hinsichtlich
des Vorhandenseins von Schadstoffen meist erst dann überprüft, wenn die
Bewohner irgendwelche Beschwerden äußerten. Wir werden hier zwei oder drei
Wochen nach Inbetriebnahme des Gebäudes entsprechende Messungen vornehmen
und gehen davon aus, dass die Schadstoffbelastung im bisherigen Vergleich
wesentlich geringer ausfallen müsste. Wie kann man im Rahmen des
Controlling bei einem Gebäude dieser Größenordung sicherstellen, dass die
verwendeten Materialien tatsächlich „sauber“ sind? Das Projekt ist
„Haus-der-Zukunft“ – gefördert. Dort gibt es eine Arbeitsgruppe, die sich
mit dieser Art von Materialprüfung auseinander setzt. Die Prüfung erfolgt
dahingehend, dass die Artikelbezeichnungen der Materialien, die auf die
Baustelle gebracht werden, mit der vorhandenen Prüfliste verglichen werden.
Das gesamte Gebäude wird ja PVC-frei gebaut, weshalb diese Prüfung
besonders bei Elektrokabeln von Bedeutung ist. Grundsätzlich gibt es
zwei Strategien, die Schadstoffwerte gering zu halten. Zum einen ist es die
Auswahl der Materialien, wo darauf geachtet wird, das Lösungsmittel oder
Formaldehydanteile nicht oder so gering wie möglich vorhanden sind, zum
anderen ist es der Einsatz von Baustoffen, die aktiv Schadstoffe binden
können und daher die Luft reinigen. Bei diesem Gebäude wurden zum Beispiel
große Mengen an Schafwolle zu Dämmzwecken eingebaut, das ist ein Naturstoff
mit der Fähigkeit Lösungsmittel und Formaldehyd zu binden, wodurch die
Luftqualität verbessert wird. Herr Zech, Sie waren
maßgeblich an der Entscheidungsfindung zu diesem Gemeindezentrum beteiligt.
Welches sind aus Ihrer Sicht ökologisch die wichtigsten Punkte, die bei
diesem neuartigen Konzept verfolgt wurden? Erstens ist das
Passivhauskonzept zu nennen, zweitens die Tatsache, dass das Gebäude in
Holzbauweise erstellt wird, konkret in heimischer Weißtanne, die von der
Agrargemeinschaft Ludesch zur Verfügung gestellt werden konnte. Drittens
ist es die Verwendung ökologisch einwandfreier Baustoffe, also Baustoffe
mit möglichst geringem Giftstoffanteil. Die Gemeinde Ludesch ist seit 1994
Mitglied beim Klimabündnis und beteiligt sich seit 1998 am Programm e5 für
energieeffiziente Gemeinden, sodass es uns ein großes Anliegen war, hier
ein beispielhaftes Projekt auf die Füße zu stellen. Wir haben in der
Gemeinde ja ein eigenes Förderprojekt für ökologisches und energiesparendes
Bauen eingeführt und möchten natürlich im eigenen Wirkungsbereich ein
Vorbildprojekt zustande bringen. Man spricht in diesem
Zusammenhang sehr oft von regionaler Wertschöpfung. Können Sie an diesem
Beispiel demonstrieren, welcher Anteil durch die Nutzung heimischer
Ressourcen der Region selbst unmittelbar zugute kommt? Hervorzuheben ist,
wie bereits erwähnt, die Verwendung des aus der eigenen Gemeinde gewonnenen
Weißtannenholzes. Dazu kommt, dass der erste Verarbeitungsschritt, das
Sägen, natürlich von einer Vorarlberger Sägerei durchgeführt wurde, was
alleine schon einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung im Lande gehalten
hat. In diesem
Zusammenhang spielt aber auch der innovative Charakter des Projektes eine
große Rolle. Die von drei Gebäudeteilen umschlossene Hoffläche von ca. 600
Quadratmetern wird ja mit einem Glasdach überdeckt, welches den Platz
beschattet. In diese Dachfläche ist eine transluzent, also
lichtdurchlässig, wirkende Photovoltaikanlage integriert, das heißt, die
Photovoltaikelemente sind in Glasplatten eingeschweißt und weisen eine
Lichtdurchlässigkeit von 10 Prozent auf. Es handelt sich hier um eine
technische Neuentwicklung, die saubere Energiegewinnung mit
architektonisch/gestalterischen Überlegungen kombiniert. Was erwarten Sie sich als
Gemeindepolitiker von diesem neuen Zentrum? Ludesch ist im
Wesentlichen ein Straßendorf, die öffentlichen Einrichtungen wie Kirche,
Schule und Gemeindeamt sind nicht an einem Platz konzentriert, wodurch
keiner dieser Orte bisher eine Zentrumsfunktion entwickeln hat können. Die
multifunktionale Nutzung dieses Gemeindezentrums wird also eine Stärkung
des öffentlichen Lebens mit sich bringen.
Öffnungszeiten und Konditionen
Kontakt
Raiffeisenstrasse 56
A-6713 Ludesch